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Lektüre klassischer Texte (Reading classical Texts)

Trier, Germany This is a part of a lesson I developed for a German advanced reading class in classical Japanese (kobun) for the Japanologie department at the University of Trier in the winter semester of 2020/2021. Students were asked to test their skills reading a broad selection of poetry. I found published translations of all of these poems into English. Please get in touch if you are interested.

Waka Gedichte

Sie kennen bestimmt das Dichtungsgenre waka mit der Silben-Einteilung 5-7-5-7-7. Die Blütezeit der waka Gedichte war wohl in der Heian-Zeit und im frühen Mittelalter. Aber diese Gedichte prägten die darauf folgende Literatur und sie wurden bis in die Gegenwart (dann tanka genannt) geschrieben.

Es gibt viele Gedichte zum Thema Liebe. Das Genji monogatari enthält sehr viele dieser Art und setzt sie auch in einem narrativen Kontext. Letzte Woche haben Sie aber auch zwei begegnet. Das erste von der Nonne, die sich Sorgen um die junge Murasaki macht:

生ひ立たむありかも知らぬ若草をおくらす露ぞ消えむそらなき
oitatamu / arikamo shiranu / wakakusa o / okurasu tsuyu zo / kiemu sora naki
When no one can say where it is the little plant will grow up at last, the deewdrop soon to leave her does not see how she can go. (Royall Tyler übers., The Tale of Genji 87)

und die Antwort von einer ihrer Dienerinnen:

初草の生ひ行く末も知らぬまにいかでか露の消えむとすらむ
hatsugusa no / oiyuku sue mo / shiranu ma ni / ikade ka tsuyu no kiemu to suramu
Alas, does the dew really mean to melt away before she can know where her tender little plant will at last grow to be tall? (Ibid.)

Wie Liebesgedichte, drücken diese auch starke Emotionen aus. Vielleicht können wir sie wie Liebesgedichte für den Nachwuchs verstehen? Auf jeden Fall beschreiben sie auch weltliche Beziehungen, die im Buddhismus als Hindernisse zur Erleuchtung verstanden wurden. Aber bis spätestens im frühen Mittelalter gab es auch buddhistische waka, die eine ganz anderen Haltung zur Liebe aufzeigten. 

Es folgen vier vormoderne waka und ein modernes tanka am Ende. Manche haben auch eine kurze einleitende Erklärung davor.  Bitte transkribieren Sie die Gedichte (aber nicht die Einleitungen) in romaji, wie wir es die erste Woche geübt haben und wie sie in meinen Beispielen oben sehen, und übersetzen Sie die Gedichte (und wo vorhanden die Einleitungen) bzw. geben Sie eine Erklärung der Bedeutung.

Natürlich ist das Entziffern und die Übersetzung von Gedichten schwierig. Sie brauchen in Ihren Übersetzungen keine Silben einzuteilen und keine Reime o.ä. einzubauen. Wie Sie in den Beispielen oben sehen, macht das Royall Tyler auch nicht. Falls notwendig, versuchen Sie mehrere Übersetzungen vom gleichen Gedicht oder versehen Sie sie mit Ihren eigenen Erklärungen. Wichtig ist es, den Sinn zu verstehen und schriftlich zu vermitteln.

Bitte benutzen Sie auch hier  wie gewohnt Hypothes.is, um die Gedichte und Ihre Übersetzungen mit einander zu besprechen.

Die Dichter*innen, sofern bekannt, sind…

Ono no Komachi (c. 825 – c. 900) war eine berühmte Dichterin der Antike. Es gibt sehr viele Legenden zu ihrer Schönheit, ihren Liebesaffären, und wie sie bis zu einem hohen Alter lebte aber dann sehr arm war. Was aber war die Wirklichkeit? Bloß ihre Gedichte erzählen von ihrem Leben.

Izumi Shikibu (geb. 976?) war eine Zeitgenossin von Murasaki Shikibu (c. 973 o. 978 – c. 1014 o. 1031), die Verfasserin vom Genji monogatari. Sie diente, wie Murasaki Shikibu, am kaiserlichen Hof.

Saigyō (1118 – 23. März 1190) war ursprünglich aus einer Familie von Kriegern und hat am kaiserlichen Hof gedient bevor er zu einem Mönch wurde.

Von der Kurtisane Tae gibt es bloß das eine Gedicht. Manche Wissenschaftler*innen behaupten, Saigyō hätte es selbst gedichtet. Das können wir nicht mehr genau belegen.

Yosano Akiko (7. Dezember 1878 – 29. Mai 1942) war eine Dichterin, die in der Meiji-Zeit und danach aktiv war. Sie gilt auch als Feministin und war mit dem Dichter Yosano Tekken verheiratet.

Die Gedichte

Kokin wakashū Gedicht 797 von Ono no Komachi zum Thema Liebe:

色見えでうろふ物は世中の人の心の花にぞ有りける

(Quelle: http://jti.lib.virginia.edu/etcbin/ot2www-japanese?specfile=/web/data/japanese/search/japanese.o2w&act=surround&lang=en&offset=50090441&id=KiKokin&query=%BE%AE%CC%EE%BE%AE%C4%AE)

Shui wakashū Gedicht 1342 von Izumi Shikibu zum Thema Buddhismus:

性空上人のもとに、よみてつかはしける

暗きより暗き道にぞ入りぬべきはるかに照らせ山の端の月 

(Quelle: https://www.asahi-net.or.jp/~sg2h-ymst/yamatouta/sennin/izumi.html, dort finden Sie auch weitere Informationen und Hinweise zum Text.)

Shinkokin wakashū (10. Buch, Reisegedichte) Gedichte 978 von Saigyō und 979 von einer Kurtisane (yūjo) namens Tae:

978 西行法師

天王寺にまうで侍けるに、俄に雨ふりければ、江口にやどをかり けるに、かし侍らざりければ、よみ侍ける

世中をいとふまでこそかたからめかりのやどりをおしむ君かな

979 遊女妙

返し

よをいとふ人としきけばかりの宿に心とむなと思ふばかりぞ

(Quelle: http://jti.lib.virginia.edu/etcbin/ot2www-japanese?specfile=/web/data/japanese/search/japanese.o2w&act=text&lang=en&offset=2344402&textreg=0&query=%A4%E8%A4%F2%A4%A4%A4%C8%A4%D5&query2=&id=Ano10Sh)

Gedicht von Yosano Akiko aus ihrer Sammlung Midaregami:

道を云はず後を思はず名を問はずここに恋ひ恋ふ君と我と見る

(Quelle: https://www.aozora.gr.jp/cards/000885/files/51307_47033.html)